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old surehand 1. teil (alfred vohrer, deutschland/jugoslawien 1965)

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Das “1. Teil” im Titel des siebten von Horst Wendlandt und der Rialto produzierten Karl-May-Films erinnert ein wenig an die als Ruinen in die Himmel ragenden Überreste alter Tempel längst vergangener, einst stolzer Zivilisationen. Etwas unendlich Trauriges geht von ihm aus, steht es doch für sehr konkrete Pläne, Hoffnungen und Träume, die leider, wie wir heute wissen, unerfüllt bleiben mussten: Einen zweiten Old-Surehand-Film hat es nie gegeben, Stewart Granger schlüpfte für Alfred Vohrer zum letzten Mal in die Rolle des silbergrauen Scharfschützen mit dem unerschütterlichen Optimismus. Man kommt kaum umhin, Mitleid mit ihm zu haben, glaubt man doch, die Energie und Freude in seinem Spiel erkennen zu können, die die Aussicht, Titelheld einer eigenen Filmserie zu werden, bei ihm freisetzte. Und Alfred Vohrers OLD SUREHAND 1. TEIL hat dann auch wieder den Schwung und Witz, die er schon für UNTER GEIERN in die Waagschale warf, kommt zudem ganz ohne die bitteren Momente aus, die jenen zu einer Achterbahn der Gefühle machten. Natürlich werden auch in OLD SUREHAND 1. TEIL Menschen erschossen, nehmen die Bösewichter für die Umsetzung ihres Plans die Ermordung Unschuldiger billigend in Kauf, aber es gibt keine emotionale Nachhaltigkeit. Wie seit DER SCHATZ IM SILBERSEE nicht mehr kommt hier wieder dieser unschuldig-naive, spielerische Charakter zum Tragen, steht der jederzeit durchschaubare Requisiten-Charakter der Ausstattung dem make believe nicht etwa im Weg, sondern ist die Quelle, der Kinomagie entspringt.

Was ich bisher versäumt habe herauszustreichen: Alle Karl-May-Filme der Rialto haben die gleiche Handlung. In allen versucht eine Gruppe von Ganoven ihr materielles Ziel durch das Aufeinanderhetzen von Weißen und Indianern zu erreichen. Meist besteht der Plan darin, den Mord eines Mitglieds der einen Seite, den die Gangster selbst begangen haben, der anderen Seite in die Schuhe zu schieben, und immer haben die Helden die Aufgabe, die erzürnten Indianer oder Weißen durch Ermittlung des wahren Mörders zu besänftigen. Immer geschieht dies in letzter Sekunde, kurz vor dem Ausbruch eines erbitterten Krieges, der – so suggerieren die Filme – nicht nur den fragilen Frieden, sondern auch das Schicksal der Indianer für immer besiegeln wird. Durch die Wiederholung dieser immergleichen Konstellation verwandeln sich die Filme von konkreten quasi-historischen Erzählungen in Mythen, transzendieren Figuren wie Winnetou, Old Shatterhand und Old Surehand ihre Rolle als Individuen und werde mit ihren Sidekicks zu Repräsentanten “historischer” Vorgänge. Dabei haben die Karl-May-Filme unverkennbar utopischen Charakter, denn die historische Wahrheit – die Kapitulation der Indianer vor den Armeen der USA – wird hier immer wieder hinausgeschoben. Die “5 Minuten vor 12″ für die Kultur der nordamerikanischen Ureinwohner werden endlos ausgedehnt, ohne dass es jedoch freilich gelänge, die Uhren ganz zurückzudrehen. Die Figuren sind in einem Limbo gefangen, in dem sie den einen entscheidenden Konflikt immer wieder austragen müssen. Sie erhalten so unweigerlich etwas Übermenschliches, Geisterhaftes: Am meisten natürlich Winnetou, dem auch in OLD SUREHAND 1. TEIL wieder die Funktion eines personifizierten Deus ex machina zukommt, der sich immer im entscheidenden Moment materialisiert, der immer weiß, was er eigentlich nicht wissen kann, und dem es so gelingt, das Unabwendbare noch einmal abzuwenden. Sein Tod in WINNETOU 3. TEIL sollte demnach ein denkbar schlechtes Omen für die Zukunft der Indianer darstellen. Doch mit OLD SUREHAND 1. TEIL wird die Uhr sogleich wieder zurückgedreht, in eine Zeit vor seinem Tod zurückgesprungen. Winnetou ist wieder am Leben – oder ist er ein Geist? –, die letzten fünf Minuten dürfen noch einmal anbrechen. Es ist ein Wunder, dass die Karl-May-Reihe der Rialto nicht ewig andauern konnte.



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