Eine Schönheit, die in über 40 Jahren nichts von ihrer Kraft eingebüßt hat und für mich persönlich mit jeder weiteren Sichtung wächst. Mein Eindruck am Ende, wenn der alternde Beauregard (Henry Fonda) – durch die Hilfe der mysteriösen Schelmenfigur Nobody (Terence Hill) als Westernlegende in die Geschichte eingegangen – auf einem Dampfer gen Europa schippert, dem Freund, der nun in seine Fußstapfen treten wird, ein paar Worte mit auf den Weg gibt: Was für ein unendlich weiser und kluger Film.
Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Damals, als Kind, haben mich die schwere Melancholie des Films, sein gelegentliches Abdriften in den Surealismus und sein Parabel- bzw. Metafilm-Charakter schwerst irritiert. Benennen konnte ich die Störfaktoren natürlich noch nicht, aber da war irgendwas, was ich einfach noch nicht verstand, schon gar nicht in einem Film mit Terence Hill, der nach meinem Geschmack doch vor allem Klamauk und Keilereien zu liefern hatte. Auch Henry Fonda passte nicht in mein Bild des Westernhelden: Ein solcher hatte auszusehen wie John Wayne und gewiss nicht „Beauregard“ zu heißen. Als er zum Shootout am Ende dann auch noch eine Brille aufsetzte, war für mich alles aus.
Heute ist das natürlich anders: Ich weiß, dass IL MIO NOME È NESSUNO Rückgriff nimmt auf Leones C’ERA UNA VOLTA IL WEST, dass es einige weitere Anspielungen auf die damals modernere Westernfilmgeschichte gibt – das „wild bunch“, das Grab von Sam Peckinpah, das Mitwirken von R. G. Armstrong -, und Nobody eine Variation von Hills damals immens populärer Trinità-Figur ist. Tonino Valerii, der unter der strengen Aufsicht von Produzent Leone (der einige Szenen selbst übernahm) in den USA inszenierte, liefert eine melancholische, traumgleiche Verabschiedung des einst so populären und amerikanischsten aller Filmgenres, lässt den Zeitenwandel von einem drifter vorantreiben, der deutlich engelsgleiche Züge trägt und aus einem metaphysischen Irgendwo zu kommen scheint. Wenn er und Beauregard sich gegenübertreten und philosophische Streitgespräche über Zeit, Geschichte und Heldentum führen, scheint die Zeit stillzustehen, der Film sich in einem überirdischen Raum zu bewegen. Das Geschehen um diese Szenen, die Keilereien, in die Nobody ein paar hilflose Ganoven verwickelt, auf einem Jahrmarkt noch dazu!, die Flucht Beauregards vor den 150 Reitern der wilden Horde: All das wirkt wie ein Traum, in dem nur Nobody die Handlungsmacht behält, weil er eher Idee ist, Deus ex Machina als Individuum aus Fleisch und Blut. Er ist der Geburtshelfer der Geschichte, ironischerweise, indem er dem Alten zum Sterben verhilft.
IL MIO NOME È NESSUNO ist gleichzeitig traurig wie hoffnungsvoll und dabei immer wunderschön. Weil Terence Hill mit seinen himmelblauen Augen und diesem unwiderstehlichen Gewinnerlächeln, dem ein ungebrochenes Selbstbewusstsein ohne Überheblichkeit innewohnt, ein perfekter Nobody ist, Henry Fonda den Revolverheld kurz vor dem Ausstieg mit kalter Stoik absolviert, ein idealer Gegenpart zur Quirligkeit Hills, Morricones Score die verschiedenen Emotionen, die dieser Film evoziert, in wunderschöne Melodien und Klangwelten übersetzt, der Film witzig ist (auch dank einer exzellenten Brandt-Synchro), aber sich mit diesem Witz nicht selbst ein Bein stellt. Im Gegenteil, er verstärkt noch die Wirkung und die Idee des Films. IL MIO NOME È NESSUNO schaut sich die menschliche Komödie mit dem wissenden Lächeln eines gütigen Gottes an.
