A MAN CALLED HORSE stammt aus einer Zeit, als viele Filmemacher offensichtlich bemüht waren, das im Western über viele Jahrzehnte gezeichnete, oft klischierte Bild des Indianers einer Revision zu unterziehen. Innerhalb weniger Jahre entstanden Filme wie SOLDIER BLUE oder ULZANA’S RAID, die die amerikanischen Ureinwohner nicht als zu bezwingende Wilde zeichneten, sondern sie als Menschen Ernst nahmen und auch die Verbrechen, derer sich die weißen Eroberer an ihnen schuldig machten, in der gebotenen Härte darstellten.
Elliott Silversteins Film beruht auf einer Kurzgeschichte der Westernautorin Dorothy M. Johnson, von der auch die Vorlagen zu Fords THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE und Delmer Daves THE HANGING TREE stammen, und wurde mit der Behauptung beworben, ein “authentisches Porträt” des Lebens der amerikanischen Ureinwohner zu zeichnen. Sein viel diskutiertes pièce de résistance ist die lange Sequenz, in der die Hauptfigur dem Initiationsritus des “Sonnentanzes” (im Original: “vow of the sun”) unterzogen wird. (A MAN CALLED HORSE war damit der erste Film, der die sogenannte “Flesh Hook Suspension” zeigte, ein Brauch, der heute noch in der “Modern Primitive”-Kultur gepflegt wird.) Bereits im Vorspann des Filmes wird auf diese Sequenz hingeweisen und mitgeteilt, dass der Brauch in den späten Jahren des 19. Jahrhunderts verboten worden sei: Schon hier tritt die Zwiespältigkeit des Films hervor: Auch wenn Silverstein sich bemüht, die Indianer nicht zu beäugen wie der Zoobesucher die vielfältigen animalischen Attraktionen, sondern stattdessen eine Innenperspektive einzunehmen, und er zahlreiche echte Indianer als Schauspieler und Berater engagierte, benötigt er dennoch den weißen Helden, der den Primitiven letztlich zeigt, wie der Hase läuft – und sein Love Interest wird auch noch von einer Griechin gegeben, Corinna Tsopei, die 1964 Miss Universum geworden war. Indianer-Vertreter und Aktivisten protestierten erwartungsgemäß lautstark und vehement gegen den Film. In ihrem Buch “The Only Good Indian: The Hollywood Gospel” von 1972 schrieben Ralph E. und Natasha A. Friar etwa:
“How to make an Indian movie. Buy 40 Indians. Totally humiliate and degrade an entire nation. Make sure all Indians are savage and ignorant. Satisfy Indian groups by seeking authenticity. Import a Greek to be an Indian princess. Introduce a white man to become an ,Indian’ hero. Make the white man compassionate, brave and understanding. Make the white man an ,Indian’ leader to save the souls of the weak. desecrate the Indian religion. Pocket the profits in Hollywood.”
Aber A MAN CALLED HORSE hatte nicht nur mit solchen ideologiekritischen Vorwürfen zu kämpfen, er musste sich auch ankreiden lassen, es in der Darstellung des indianischen Lebens nicht ganz so genau genommen zu haben, wie es angeblich sein Anspruch gewesen war. Zwar beriefen sich die Produzenten auf die Erfahrungsberichte des Malers, Autors und Indianerkenners George Catlin – seine Mutter und Großmutter waren während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges von Indianern entführt worden und prägten durch die so erworbenen Erfahrungen sein späteres Interesse am Leben der Ureinwohner, mit dem er sich auf zahlreichen Reisen intensiv auseinandersetzte –, doch warfen sie dabei einiges durcheinander: Die den Sioux zugeschriebenen Praktiken waren viel eher eine Verbindung von Bräuchen der Crow und Mandan, die mit den Sioux sogar verfeindet waren. Es half nichts, dass Clyde Dollar, der Historiker, der am Film beteiligt war, die Kritik als Ausdruck von Eifersüchtelei zwischen den verschiedenen Stämmen bewertete, die von den damaligen Gegebenheiten eh keine Ahnung hätten.
Es ist nahezu unmöglich, all diese Vorwürfe zu entkräften: A MAN CALLED HORSE ist tatsächlich ein “imperialistischer” Film, der die Menschen, die er seinem Publikum nahebringen will, doch wieder nur durch die verzerrte Brille des weißen Mannes betrachtet und sie in ein narratives Korsett zwängt, das eindeutig als “weiß” zu identifizieren ist. Die Naivität dieses Konzepts mit dem Aufstieg des tapferen Weißen zum Anführer und dem sein Schicksal teilenden Franzosen, der als sein Vertrauter und Helfer fungiert, ist mehr als 40 Jahre nach seinem Kinostart offensichtlich. Auch fällt die Selbstgerechtigkeit des Protagonisten unangenehm auf, der seinen Freund einmal tadelt, die Indianer auch nach über fünf Jahren des Zusammenlebens nur als seine Peiniger zu betrachten, aber selbst immer noch einen Dolmetscher braucht, um sich überhaupt verständigen zu können. Dieser Mangel einer verbalen Übereinkunft ist es auch, der am unangenehmsten nachhallt, und den Eindruck, da kommt ein Herrenmensch an und reißt mal eben, von oben herab Befehle erteilend, die Kontrolle des Ladens an sich, verstärkt. Aber all das ändert nur wenig daran, dass Silversteins Film für seine Zeit durchaus ambitioniert war und auch heute noch schön anzuschauen ist. Dass er über weite Strecken auf verständlichen, sprich: englischen, Dialog verzichtet, den Protagonisten verstummen lässt, ermöglicht tatsächlich, diesen Einblick in die andere Kultur. Die Naturaufnahmen und natürlich die “Sonnentanz”-Sequenz sind auch heute noch beeindruckend und Richard Harris als Wahlindianer eine echte Schau. Nur den Klassikerstatus, den der Film vielleicht einmal innehatte, kann man heute nicht mehr wirklich bestätigen, dafür ist dann doch zu viel ideologischer Sand im Getriebe.
